Leseprobe 1
...Der Waschstein ist warm. Er wird von Rafi, dem Tellak, beheizt. Das Feuer hat er immer schon vor dem ersten Gebet mit Holzabfällen aus den benachbarten Handwerkerbetrieben geschürt. Wie zu erwarten, lässt er sich in den Hallen der Frauen nicht blicken. Selbst wenn er am Eingang nur den Dampfabzug kontrolliert, kündigt er sich mit einem Flüstergesang an: "Kannst du nicht deine Flügel weiten? Kannst du sie nicht zum Flug ausbreiten?" Dann geht Huda mal eben - die Seifenschüssel im Arm - hinaus, um ein Schwätzchen mit ihm zu halten, ist aber gleich darauf wieder ganz für mich da, löst, ohne ein Wort zu verlieren, das Badetuch, lässt den Ziegenfellhandschuh auf meinem Körper kreisen - das macht warm und für die Massage bereit - und türmt Seifenschaum auf mir auf, streicht, knetet, dehnt und streckt meine Haut, meine Muskeln und Sehnen, übergießt mich mit warmem Wasser und verteilt neuen, knisternden Schaum auf Bauch, Armen Brüsten und Beinen. Schließlich liege ich in warme Tücher gewickelt. "In ein paar Stunden", dringt ihre Stimme wie von weit an mein Ohr, "bist du ein neuer Mensch."
Wie lange ich jedes Mal schlafe, weiß ich nicht so genau, denn mit den Kleidern habe ich auch meine Uhr abgelegt. Manchmal werde ich vom Klappern der Kämme wach. Oder irgendwo surrt ein Föhn. Die Augen geschlossen, warte ich dann, bis Huda mich in den Nebenraum führt, wo Farbtöpfe und Pinsel stehen und das Näpfchen mit der Enthaarungspaste, die sie aus Zitronensaft, Wasser und Zucker zusammenrührt. "Frauen wollen makellos sein, wenn sie den Hamam wieder verlassen." Sie lächelt mich über den Spiegel an, will auch noch das Graue an meinen Schläfen tönen, doch ich winke ab.
"Schön", fasste sie beim letzten Mal das Ergebnis ihrer Mühen zusammen und schenkte mir einen zufriedenen Blick: "Auch glücklich?"
"Ja, also..." Aber so schnell fiel mir nichts ein. "Schön muss reichen", sagte ich deshalb auch nur und streifte den Frisierumhang ab.