Leseprobe 1

Alle diese Kugeln, erwidert Mr. Kennaway, habe er aus Eiche gedreht; aus Bruchholz und Wurzelstücken, die keiner mehr will. Er winkt Richard auch gleich an eines seiner größten Exemplare heran: “Schauen Sie, schauen Sie sich die Umläufe an oder diese Astsprossung hier. Antwort auf eine Verletzung? Wildverbiss? Schneebruch? Ein Sturm? Wer weiß. Auf jeden Fall können alle diese verworrenen Masern sagen, dass sie ein beschwerliches Wachstum hinter sich haben.” Augenzwinkernd schaut er zu Richard hinauf: “Nicht wahr, Gradlinigkeit und Entwicklung schließen sich aus?” – In Richards Gesicht zuckt ein Lächeln auf, doch gleich darauf wendet er sich von ihm ab, und so zieht Mr. Kennaway seinen Lumpen heraus. “Keine”, brummt er, während er seinen Geschöpfen den Staub von ihren Rundungen streicht, “nicht eine verschweigt, wie sie geworden ist. übrigens”, und damit macht er vor Frances halt, “sie sprechen, wenn man sie fragt.”
Frances lächelt – höflich – und nickt, tritt auch ein paar Schritte aus dem Eingang heraus, doch im Aufschauen begegnet sie Richards Blick – Ein reizvoller Gedanke, einem Stück Krüppelholz die Form einer Kugel zu geben -, als würde der ganze Wirrwarr des Lebens am Ende doch noch so etwas wie Geschlossenheit und Gleichmaß ergeben. Nur leider wurde die Harmonie diesem Holz hier erst posthum verpasst. “Ein letzter Akt von Gewalt”, hätte Onkel Ted vermutlich gesagt und die Galerie auch gleich wieder verlassen. Denn nachdem seine Nasenspitze einmal Opfer eines angriffslustigen Terriers geworden war, pflegte er sich zum Thema “Harmonie und Gestalt” so seine eigenen Gedanken zu machen. Welche Perspektiven er dabei auch in Betracht ziehen mochte, eines war klar: Als Objekt künstlerischer Darstellung hatte die Harmonie inzwischen für ihn allen Reiz verloren. “Am Endprodukt”, hörte Frances ihn öfter sagen, “bin ich nicht mehr interessiert. Aber meine Sehnsucht nach ihr ist natürlich geblieben. Deshalb halte ich Ausschau nach einem Künstler, der sie mir in ihrem Entstehen aufspüren kann.”

Es war ja nur ein winziges Stück Knorpel, das Onkel Ted bei dem “Vorfall”, wie er die Hundeattacke nannte, eingebüßt hatte. Dennoch, mit diesem Fitzelchen schien ihm auch jede Fähigkeit zum small talk abhanden gekommen zu sein. Mit einem Wort: Der Vorfall hatte Onkel Ted zu einem recht unbequemen Onkel gemacht. Es fiel auch so schwer, ihm etwas zu schenken. Im nächsten Monat stand sein achtzigster Geburtstag bevor, und keiner in der Familie hatte eine Idee.
Ein Geschenk mit Bedeutung sollte es sein. Deshalb, und weil die Zeit drängte, hatte Frances – übernächtigt vom Flug über den Atlantik – gleich nach ihrer Ankunft einen Spaziergang durch die südenglische College-Stadt gemacht. Natürlich hatte sie dabei in “Kennaway’s Galerie” auch die Kugeln entdeckt: Verschieden groß liegen sie dort auf dem Ziegelsteinboden, die kleineren auf ein paar wurmstichigen Tischen verteilt. An jenem Abend schimmerten sie wie frische Kastanien …